Festakt zum Gedenken an den 09. November – ein Tag des Erinnerns und des Nicht- Vergessens Berufliche Schule wird für ihre engagierte Erinnerungsarbeit als Yad Vashem Schule ausgezeichnet
Ein Tag voller Einblicke: Die AW24 zu Besuch bei Backring-Nord
Eva Szepesi – eine Zeitzeugin berichtet
(erh) Große Spannung und große Vorfreude an der Beruflichen Schule in Bad Oldesloe. Für den 7. November 2024 hatte sich hoher Besuch angemeldet. Eva Szepesi - eine der letzten noch lebenden Zeitzeugen des Holocaust berichtete Schülerinnen und Schülern von ihrem Schicksal zur NS-Zeit und wie sie das Konzentrationslager Auschwitz überleben konnte.
Wer ist diese besondere Frau? Eva Szepesi wurde 1932 in Budapest/Ungarn in eine jüdische Familie hineingeboren. 1944 mussten sie vor den Nationalsozialisten fliehen. Auf der Flucht wurde sie von ihrer Mutter und ihrem Bruder getrennt und floh mit ihrer Tante zu Fuß in die heutige Slowakei. Dort wurde sie jedoch entdeckt und ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert. Einer sofortigen Ermordung erging sie nur, da sie ihr Alter mit 16 Jahren angab und damit als arbeitsfähig galt. Ihr Leiden hatte am 27. Januar 1945 ein Ende. In der Schlussphase des Zweiten Weltkrieges lösten die SS-Wachmannschaften viele Konzentrationslager auf, so auch das Vernichtungslager Auschwitz. Sie zwangen die KZ-Häftlinge auf sogenannten Todesmärschen in Richtung Reichsmitte. Die damals Zwölfjährige überlebte nur, weil die Aufseher sie bereits für tot hielten und sie fast verhungert zurückließen, wo sie von russischen Soldaten entdeckt wurde. „Das Lächeln der Soldaten zeigte mir menschliche Wärme. Das hat so gutgetan.“
Viele Jahre konnte und wollte sie nicht über das Erlebte sprechen. Erst ein Interview im Rahmen der Veröffentlichung des vielfach prämierten Kinofilms „Schindlers Liste“ und die Gedenkfeier zum 50. Jahrestag der Befreiung in Ausschwitz brachten sie dazu, das Schweigen zu brechen und sich als Zeitzeugin zu engagieren. Seitdem spricht Szepesi vor Jugendlichen und in öffentlichen Einrichtungen über ihre Lebensgeschichte. Und nicht nur das. Eva Szepesi hat ein Buch mit dem Titel „Ein Mädchen auf der Flucht“ geschrieben, in dem sie ihre Geschichte erzählt. Und aus diesem Buch las sie auch an diesem Tag vor. So erfuhr das Publikum, dass ihre kuschelige Jacke, die ihr bis zur Ankunft Geborgenheit und Wärme gab, einfach achtlos von den KZ-Aufsehern mit den Füßen weggestoßen wurde. Am schlimmsten sei es jedoch gewesen, dass ihr ihre langen Zöpfe abgeschnitten wurden. Damit war ihre Kindheit vorbei. Wie traumatisch dieses Abschneiden der Zöpfe für Szepesi war, zeigte auch der Film „Drei Frauen, drei Generationen“, indem der Enkel von Eva Szepesi seine Oma, seine Mutter und seine Schwester zu Wort kommen lässt. In einem Gespräch erinnerten sich die Drei daran, dass die Mutter bzw. die Oma allen immer Zöpfe flechten wollte.
Wir als Schule sind dankbar, dass unseren Schülerinnen und Schülern, aber auch den Lehrkräften die Möglichkeit eröffnet wurde, diese bemerkenswerte Frau kennenzulernen. Daniel Wenck und Finn Heick, Schüler der Berufsfachschule Kaufmännische Assistenz, können dieses nur unterstützen: „Es was superinteressant, dieser Frau zuzuhören,“ so Daniel. Finn beeindruckte der vorgelesene Buchauszug. „Gerne hätte ich noch mehr daraus gehört.“ Mit ihren Worten rührte und berührte die 92-jährige somit das Publikum und beeindruckte, wie sie das Erlebte überlebte. Leider überlebten ihre Eltern und ihr Bruder den Holocaust nicht. Auch wenn dieses traurige Ereignis Eva Szepesi bekannt war, konnte sie dieses erst begreifen, als sie 2016 mit ihrer Familie in Auschwitz war und die Namen auf einer Liste schwarz auf weiß las. „70 Jahre habe ich auf meine Mutter gewartet. Jetzt kann ich trauern.“
Begleitet wurde das Zeitzeugengespräch durch mehrere Musikeinlagen des jüdischen Pianisten und Leiters des Synagogenchors der jüdischen Gemeinde Düsseldorf Axel Weggen, der nicht nur als Musiker, sondern auch als langjähriger Freund Eva Szepesi begleitete.
Möglich machte diesen Besuch der Verein Yad Ruth e.V. aus Hamburg, deren Vorsitzende Gabriele Hannemann im Bildungsministerium für die Yad Vashem-Kooperation in Schleswig-Holstein zuständig ist. Seit 2024 ist die Berufliche Schule in Bad Oldesloe Yad Vashem Partnerschule. Dieses Partnerschulprogramm unterstützt die Schulen mit Bildungsmaterialien und Projekten, um die Erinnerungskultur und die Holocaustbildung lebendig zu erhalten.
Wie passend ist da die Aufforderung Szepesis an die Jugendlichen: „Informieren Sie sich! Glauben Sie nicht blind den Sozialen Medien wie z.B. TikTok, sondern denken Sie selber nach.“
Eva Szepesi, danke, dass Sie hier waren!