(sieb) Bad Oldesloe. Dieses Schulprojekt hat es in sich. Ein Ring, ein Familienfoto, ein Ausweis - die Nazis nahmen ihren Opfern bei der Verhaftung alle persönlichen Gegenstände ab. Rund 2.500 dieser Effekte aus den Konzentrationslagern durchforsteten jetzt 24 Schüler*innen der Oberstufenprofile Ernährung, Pädagogik/Psychologie und Technik des Beruflichen Gymnasiums in Bad Oldesloe.   

Lehrerin Claudia Schecker war sofort von der Nachhaltigkeit des Themas begeistert und organisierte im Rahmen des Schulprojektes #StolenMemory ein hybrides 3-Länder Projekt. Die Schüler*innen der Klasse suchten gemeinsam mit polnischen und russischen Schüler*innen online nach Nachfahren von NS-Opfern. Gut sechs Tage lang durchkämmten die 46 Schüler*innen aus den drei Ländern Listen, Dokumente und Fotos im Arolsen Archiv. In diesem Online-Archiv findet man Abbildungen der 2.500 Gegenstände und über 30 Millionen Original-Dokumente aus dieser Zeit. Mit Hinweisen wie den Geburtsorten oder ehemaligen Wohnorten werden mögliche Nachfahren der NS-Opfern gesucht. Denn das Ziel neben Völkerverständigung und Versöhnung ist es auch direkte Nachfahren zu finden, um ihnen die Gegenstände zurück geben zu können.

Rechercheerfolg hatten der polnische Schüler Kasper Szaganiec, 18 Jahre, der Beruflichen Schule Gdynia, Polen und die 19-jährigen Klassenkameraden Lars Friedemann Ernst und Joshua Hengstenberg der Beruflichen Schule in Bad Oldesloe. Das deutsch-polnische Team spürte zu zwei gelisteten Taschenuhren des ehemaligen Neuengammehäftlings Paul Urlicki den Großneffen Grzegorz Urlicki auf. „Es war Kasper, der den Großneffen gefunden hat. Wir waren alle von Anfang an motiviert und hatten Lust auf die Recherche,“ erklärt der Bargteheider Lars Friedemann. Joshua Hengstenberg aus Reinfeld ergänzt: „Ich hätte auch noch Lust weiterzumachen.“ Der Großneffe Grzegorz Urlicki freut jetzt sich auf die geplante Rückgabe durch die internationale Projektgruppe im Herbst, denn für die Familien ist die Rückgabe von hoher Symbolkraft und eine Möglichkeit die Erinnerung an ein Familienmitglied für sich und die eigenen Kinder aufrecht zu erhalten. 

Die acht Schüler*innen der Beruflichen Schule Gdynia aus Polen und 14 Schüler*innen des Gymnasiums 303 Sankt Petersburg aus Russland kommunizierten die sechs Tage vom 28.4. bis 21.5.2021 online, in englischer Sprache und sollen sich nun bald wirklich kennen lernen. Dazu die Lehrerin und Projektbetreuerin Claudia Schecker „Wir wollten trotz der Pandemielage vor allem internationale Begegnungen und Kontakte herstellen.“  Kollege Daniel Werstat, ebenfalls Projektbetreuer, ergänzt: „Dieses Projekt ist für unsere Schüler*innen eine spannende Möglichkeit zum forschenden Lernen über NS-Verfolgung und ein „reallife“ Austausch mit polnischen und russischen Schüler*innen“. So konnten Claudia Schecker und Daniel Werstat bei einer internationalen Fortbildung in Auschwitz im August 2021 über das 3-Länder-Projekt berichten.  

Die Berufliche Schule in Bad Oldesloe ermöglicht zukünftig dem gesamten 11. Jahrgang (ca. 120 Schüler*innen), an deutsch-polnischen oder trilateralen Projekten (ab 2023) zum Förderprogramm „Wege der Erinnerung“ des Deutsch-Polnischen Jugendwerkes teilzunehmen. Die Projekte finden als Gedenkstättenfahrten und zur Kampagne #StolenMemory vom 13. bis 18. Februar 2022 mit sechs polnischen Schulen in sechs Bildungsstätten in Polen und Deutschland statt. So werden fast 250 Schüler*innen gegen das Vergessen arbeiten und versuchen die Schicksale von deutschen und polnischen Häftlingen zur klären.

Wir suchen u. a. weiter nach den Nachfahren von Walter Berlin, inhaftiert im KZ Neuengamme (Häftlingsnummer 21.337) und geboren am 7.12.1914 in Rethwisch. Seine Taschenuhr und seinen Ehering möchten wir zurückzugeben und so vielleicht dazu beitragen sein Schicksal zu klären.

Kontakt Claudia Schecker: bs-oldesloe@schule.landsh.de