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Erinnern ist arbeiten an der Zukunft
Zum Gedenken an die NS-Opfer der Todesmärsche
(erh) Die Front des Zweiten Weltkrieges rückt immer näher. Sich ergeben? Die Gefangenen der Konzentrationslager freilassen? Nein! Das kam für die NS-Führung nicht infrage. Es kam zur Auflösung zahlreiche Konzentrationslager und dementsprechend zur Verlegung der KZ-Häftlinge. Viele der Gefangenen überlebten die tage- und auch wochenlangen Verlegungsmärsche nicht, sodass diese Räumungsaktionen zu Todesmärschen wurden. Dieser Begriff ist bis heute eng mit dem Schicksal der Opfer des Nationalsozialismus verbunden.
Auch die Bad Oldesloer Geschichte ist mit diesem traurigen Ereignis verknüpft. Auf einem Zwischenstopp vom Konzentrationslager Neuengamme lagerte in Bad Oldesloe am 3. Mai 1945 eine Gruppe von circa 350 Gefangenen, die unter unmenschlichen Bedingungen mit Gewalt und Schlafentzug nach Lübeck und Flensburg überführt werden sollte, obwohl das Kriegende absehbar war.
Einer, der diesen Todesmarsch überlebte, war Herbert Schemmel, der aufgrund einer Nichtteilnahme an einer von den Nationalsozialisten angeordnete Kundgebung zunächst von seinem Arbeitgeber fristlos entlassen und später aufgrund von Denunziationen von der Gestapo verhaftet wurde. Durch Folter erzwang die Gestapo ein Geständnis, indem ihm staatsfeindliche Äußerungen und Kontakte zu feindlichen Industrien zur Last gelegt wurden. Wie Herbert Schemmel die Brutalität in den Konzentrationslagern erlebte und überlebte, schilderte sein Enkel Marc Schemmel am 3. Mai 2023 in einem Zeitzeugengespräch der 3. Generation im Pädagogischen Zentrum unserer Schule. Zunächst erhielt Herbert Schemmel einen zivilen Freispruch, jedoch wurde er anschließend sofort wieder verhaftet und am 21.März 1940 ins KZ Sachsenhausen deportiert, wo er unter Brutalität und Schikane Zwangsarbeit in einem Klinkerwerk verrichten musste. Dadurch, dass Schemmel durch die Gestapo der Status „Rückkehr unerwünscht (RU)“ erhielt, wurde er in eine Strafkompanie verlegt, in der die Zustände noch brutaler waren. Als Beispiel erwähnte Marc Schemmel, dass die Gefangenen in eine Besenkammer dicht an dicht gepfercht wurden. Anschließend wurde jegliche Luftzufuhr unterbunden, nur sein Großvater und ein weiterer Inhaftierter überlebten. Auch einen zweiten Aufenthalt in der Besenkammer überlebte Herbert Schemmel nur mit viel Glück, obwohl er aufgrund der schlimmen Lagerverhältnisse nur noch ein Körpergewicht von 39 Kilogramm hatte. Sein Glück hielt an, denn am 30. Juni 1940 wurde er in das KZ Neuengamme verlegt, wo er aufgrund seiner Buchführungs- und Fremdsprachenkenntnisse in der Lagerverwaltung eingesetzt wurde. Diese Position nutzte er im Rahmen seiner Möglichkeiten, um Mitinsassen zu unterstützen und sogar, um Leben zu retten. Am 30.4.1945 verließ er als einer der letzten das KZ mit dem Todesmarsch Richtung Flensburg. Auf diesem Todesmarsch gelang ihm in Neumünster die Flucht, wo er sich bis zur endgültigen Kapitulation in einer Gartenlaube versteckt hielt. Bis zu seinem Tod im Jahre 2003 setzte Schemmel sich für die Verfolgung und Verurteilung der Nazi-Täter ein. Ebenso galt sein Engagement, die Erinnerungskultur über das KZ Neuengamme zu pflegen. Von den Schilderungen sichtlich beeindruckt, gab es im Anschluss für die Schülerinnen und Schüler noch die Möglichkeit, Fragen an den Enkel zu richten. Diese Gelegenheit nutzte Laura Liebe aus der GG20 (Berufliches Gymnasium Profil Gesundheit) mit der Frage, ob der Großvater von sich aus über das Erlebte berichtete. Marc Schemmel erklärte, dass die KZ-Vergangenheit seiner Großeltern immer Thema gewesen sei und dass auch gelegentlich Besuch von ehemaligen Mithäftlingen gegeben habe. „Hat Ihr Opa darüber berichtet, wie es für ihn war, sich ein neues Leben aufzubauen?“, wollte Daria Roman aus der Verwaltungsklasse VW21 wissen. „Ja, es war schwer, mit den traumatischen Erlebnissen fertig zu werden. Aber er schaffte es“, so die Antwort des Enkels.
Durch solche Veranstaltungen trägt Marc Schemmel als sein Enkel das Vermächtnis der Erinnerungskultur an die nachfolgenden Generationen weiter. Dieses hob der Schulleiter Kai Aagardt ebenfalls in seinen Begrüßungsworten zu Beginn der Veranstaltung hervor und verwies darauf, dass seiner Meinung nach nur das Erinnern eine demokratische Gesellschaft und Zivilisation schaffe. Diesem Gedanken folgend trafen sich am 3. Mai 2023 circa 150 Schülerinnen und Schüler des 13. Jahrgangs der Beruflichen Schule des Kreises Stormarn, der Theodor-Mommsen-Schule, der Ida-Ehre-Schule sowie das „Bündnis gegen Rechts“ zu einem gemeinsamen Erinnerungsgang durch die Oldesloer Innenstadt im Gedenken an die Opfer der Todesmärsche, im Speziellen des Todesmarsches vom 3. Mai 1945 durch Bad Oldesloe. Der Gang führte an verschiedene Orte der Erinnerung. Zunächst wurden an den zwei Stolpersteinen in der Innenstadt (vor der Volksbank und am Kirchberg) Blumen niedergelegt, anschließend gab es ein Innehalten vor dem ehemaligen Adolf-Hitler-Haus (blaues Haus), in dem Regimegegner gefoltert und gefangen gehalten wurden. Die letzte Station der Orte der Erinnerung war der Bad Oldesloer Bahnhof. Hier erinnert heute eine Gedenktafel an die Opfer der Todesmärsche. Nach einer Begrüßung durch den Schulleiter der Beruflichen Schule Kai Aagardt trug dieser die Innenschrift der Stehle vor und übergab das Wort an den Oldesloer Bürgermeister Jörg Lembke. In seiner Ansprache schilderte der Bürgermeister die historischen Ereignisse und forderte die Jugendlichen dazu auf, sich sowohl der Geschichte zu stellen als auch das Andenken an die Opfer und die NS-Zeit lebendig zu halten, damit solch eine Willkür nie mehr auf deutschen Boden stattfinde. Abschließend legten jede Schülerin und jeder Schüler an der Gedenktafel eine weiße Tulpe nieder. Ein großes Dankeschön gebührt Laura Schnackenbeck – Lehrkraft und Kulturbeauftragte der Beruflichen Schule des Kreises Stormarn. Ihr Engagement und Austausch mit den anderen Schulen sowie dem „Bündnis gegen Rechts“ haben den „Gang der Erinnerung“ zu einem erlebbaren Unterrichtsinhalt gemacht. „Es wird zeitnah keine Zeitzeugen mehr geben. Umso wichtiger ist es, dass es Menschen wie Marc Schemmel gibt, die mit viel Engagement gegen das Vergessen arbeiten“, so Laura Schnackenbeck, „da solche Gespräche und Projekte ein wichtiger Bestandteil der Erinnerungskultur sind.“
Diese schulübergreifende Aktion zeigt, dass hier in Bad Oldesloe die Erinnerungskultur lebt und durch diesen Erinnerungsgang Präsenz gezeigt wurde. Mit einem sich anschließenden Projekt versuchen die Schülerinnen und Schüler des 11. Jahrganges der Beruflichen Schule in Kooperation mit den anderen beteiligten Schulen die Erinnerung auch weiterhin lebendig zu halten, indem in Zusammenarbeit mit der Stadt Bad Oldesloe eine Broschüre zum „Gang der Erinnerung“ erstellt wird. In dieser werden zehn Orte dargestellt, die zu der Zeit des Nationalsozialismus in Bad Oldesloe eine Rolle spielten. Somit entsteht eine bleibende Erinnerung für die Zukunft.